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Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 30.09.2018

Hallo und herzlich willkommen zu unserer Serie "Warum die AfD Scheiße ist". Heute zum Thema: "Die Präambel".
Ich erkläre nun kurz, wie unsere lustige Spielshow funktioniert: Ich gehe Punkt für Punkt das Grundsatzprogramm der AfD durch und mache mir so meine Gedanken. Danach dürft Ihr kommentieren und wer den lustigsten Bock abschießt, bekommt von mir ein "Danke".

Das Grundsatzprogramm der AfD ist in 6 Sprachen erhältlich. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Tscheschisch. Alles Länder, die eigentlich heim ins Reich gehören, außer Spanien, aber das hat man wohl mit Polen verwechselt.
In der Präambel wird erklärt, wer die AfD ist: "Wir sind Liberale und Konservative".
Klingt nach einer Koalition CDU-FDP, also nicht wirklich alternativ.
Dann ist die Rede von einer "politischen Klasse", die "uns" etwas zumutet.
Eigentlich sind alle Klassen politisch, "Klasse" ist ja ein politikwissenschaftlicher Begriff. Alle Politiker zusammen sind aber nicht die "politische Klasse". So etwas gibt es gar nicht, klingt aber nach Klassenkampf und suggeriert, dass die Politiker wirkliche Entscheidungsgewalt hätten. Außerdem, dass man gegen die da oben etwas unternehmen könne, indem man die AfD-Chefs durch demokratische Wahlen nach da oben befördert.

Nun wird plötzlich behauptet, dass Recht und Gesetz gebrochen würden und dann, dass der Rechtsstaat zerstört werde, ohne dass diese Behauptungen belegt werden. Bekantermaßen ist das hier nicht die Türkei und Recht oder Gesetz werden heute nicht anders verbogen als gestern. Kein Grund zu handeln.
Als nächstes wird behauptet, dass der Euro dafür sorge, dass "längst überwundene Vorurteile und Feindseeligkeiten zwischen den europäischen Völkern wieder aufbrechen."
Das stimmt nicht, der Euro sorgt nur dafür, dass sich multinationale Konzerne sich ohne Zölle und lästige Währungsrumrechnerei bedienen können, aber auch dafür, dass ich im Urlaub mit meiner Währung bezahlen kann. Ich fahre jetzt viel öfter nach Polen und heutzutage sagt kaum noch jemand "Sieg Heil" zu mir, wenn die Leute erfahren, dass ich Deutscher bin. Nicht der Euro, sondern die AfD sorgt dafür, dass längst vergessene Vorurteile wieder aufbrechen, aber dazu später.

Im Prinzip wird nun weiter ausgesagt: Jedem, der frustriert ist über Politik, wird hier eine Alternative geboten.
Wie sieht diese Alternative aus?
Man spricht sich für mehr direkte Demokratie aus, was in der Schweiz sehr gut funktioniert, aber als System anfällig für Populisten ist. Das ist ein liberaler Gedanke, den Bürgern mehr Rechte zuzugestehen, es ist aber auch ein Gedanke der gemäßigten Anarchisten.
Ich unterstelle hier ein gewisses Kalkül, denn wenn es morgen einen Volksentscheid in Chemnitz geben würde, ob man alle Menschen ohne Ariernachweis abschieben soll, dann würden die Menschen dafür stimmen.
Daher ist direkte Demokratie nicht immer problemlos mit dem Rechtsstaat vereinbar. Wir haben hier auch keine Kantone in relativer Autonomie, wo man jederzeit das Frauenwahlrecht einführen oder abschaffen kann. Deutschland ist anders organisiert als die Schweiz.
Mehr direkte Demokratie klingt aber erst einmal nicht schlecht, weil es mehr Teilhabe bedeutet und die Hürden für Volksabstimmungen und Volksentscheide in Deutschland i.m.h.o. zu hoch liegen.

Als nächstes wird sich ausgesprochen für Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft, das haben wir ja schon, weiter für Subsidarität. Tolles Wort, es bedeutet, dass jeder erst mal selber klar kommen muss und erst wenn er in der Gosse landet, wird ihm von der nächsthöheren Ebene aus geholfen. Das haben wir auch schon so, das Subsidaritätsprinzip ist Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft.
Dann kommt Föderalismus (haben wir schon), dann Familie und "die gelebte Tradition der deutschen Kultur." Also Döner, Pizza, Soljanka, Anzüge von Armani und Postämter, die von einem amerikanischen Konzern betrieben werden. Haben wir auch schon.
Wo ist denn jetzt hier die revolutionäre Alternative? Familie und Tradition sind ja Rückschritte, es ist also eine konservative Kontra-Revolution, die hier stattfinden soll.

"In der Tradition der beiden Revolutionen von 1848 und 1989 artikulieren wir mit unserem bürgerlichen Protest den Willen, die nationale Einheit in Freiheit zu vollenden und ein Europa souveräner demokratischer Staaten zu schaffen, die einander in Frieden, Selbstbestimmung und guter Nachbarschaft verbunden sind."
Hier wird so getan, als hätte es nur diese beiden Revolutionen gegeben, die von 1918 wird totgeschwiegen und die ganze Hitlersache - "Fliegenschiss der Geschichte" (Gauland) - natürlich auch.
Danach kommen wieder lauter Sachen, die wir schon haben. Nationale Einheit, wenn man von den Österreichern mal absieht, die partout nicht heim ins Reich wollen, und europäische Staaten, die miteinander klar kommen.
Also: Wozu soll dieser "bürgerliche Protest" gut sein?
Wir haben das alles doch schon und wie soll eine Rückkehr zu christlichen und konservativen Werten die zunehmende materielle, geistige und kulturelle Verarmung der unteren Schichten bekämpfen? Indem jene sich mit Gottvertrauen in ihr Underdog-Schicksal ergeben?

Freiheit und Demokratie sollen wieder herrschen, kommt als nächstes. Herrgott, Leute, das haben wir doch schon!
"Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben."
Gut, seine Nationalität kann man heutzutage ja quasi frei wählen, also warum nicht Deutsche sein? Die Polen haben zwar die geileren Weiber, aber jedem das seine.
"Wir wollen die Würde des Menschen, die Familie mit Kindern, unsere abendländische christliche Kultur, unsere Sprache und Tradition in einem friedlichen, demokratischen und souveränen Nationalstaat des deutschen Volkes dauerhaft erhalten."
Ich hasse es, mich zu wiederholen, aber: Das haben wir schon! Die Würde des Menschen ist per Grundgesetz unantastbar, Familien mit Kindern werden gefördert, jeder zweite Bundesbürger ist Christ und wir haben Religionsfreiheit. Auch ist Deutsch die Amtssprache und jeder darf so viel Bratwurst mit Kraut essen wie er will.

Die heutige Kultur dauerhaft zu erhalten für die nächsten tausend Jahre wird sich allerdings nicht umsetzen lassen, da mehr Menschen aus der Kirche austreten als eintreten und eine Kultur, als auch eine Sprache, sich entwickelt. Zur Zeit haben wir sehr viele Neologismen und Anglizismen, in 200 Jahren sieht die Sache vielleicht wieder anders aus.
Wenn wir Deutschen schon immer unsere Kultur so zwanghaft konserviert hätten, würden wir jetzt noch in den Wald scheißen, Grütze fressen, Odin anbeten, Menschen opfern und dänisch reden. Und es muss doch jeder einsehen, dass dänisch einfach albern klingt!

"Unsere Ziele werden Wirklichkeit, indem wir den Staat und seine Organe wieder in den Dienst der Bürger stellen."
Das klingt auch erst einmal gut, denn die Bürokratie hat sich wirklich verselbstständigt und der Staat wird von vielen als gegen den Bürger agierend wahrgenommen, besonders durch die Umverteilung von unten nach oben, die Abschaffung des Mittelstandes und behördliche Willkür. Aber - welche Ziele? Alles, was bisher genannt wurde, haben wir schon. Da brauche ich keine Revolution und keine Alternative. Da kann ich auch CDU wählen.
Ich möchte mir auch meinen Lebensstil nicht vorschreiben lassen, ich halte es mit dem Alten Fritzen, jeder nach seiner Fasson.
Wenn ich gerne mit einem schwulen, jüdischen Kenianer und seiner Schwester, die schon 13 vietnamesische Adoptivkinder hat, die alle Muslime sind, zusammenleben und englisch reden will, dann ist auch das mein gutes Recht. Auch diese Art von Familie gehört beschützt und gefördert. Und das ist ja schon so umgesetzt. Was genau soll diese Alternative denn nun sein?

Dass gewisse Veränderungen und Entwicklungen in der Bevölkerung im Deutschland des 21. Jahrhunderts, die inzwischen sogar von der CDU als gesellschaftliche Realität anerkannt werden, wieder abgeschafft werden sollen?
Dass ich keine Homo-Ehe, keine Religionsfreiheit und kein Recht mehr habe, andere germanische Dialekte, wie zum Beispiel englisch oder altisländisch, benutzen zu dürfen?
Das soll Deutschland retten? Ernsthaft?

Am Schluss der Präambel wird der Diensteid deutscher Beamter zitiert, der da lautet:
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
Interessant zu wissen, aber - Relevanz? Gut, es gibt Lehrer, Soldaten, Polizisten und Bundeskanzler, die einen Amtseid ablegen müssen, nur, was hat das in der Präambel einer Partei verloren? Steht das dort, um uns weiszumachen, dass dieser Eid gebrochen wird? Muss ja so sein, aber wie kommt man auf die Idee? Wodurch wird dieser Eid denn gebrochen?

Das erfahren Sie in der nächsten Folge von "Warum die AfD Scheiße ist" auch nicht, dann zum Thema: "Demokratie und Grundwerte". Bleiben Sie uns gewogen und schalten Sie nächste Woche wieder Ihren Volksempfänger ein!


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Mareta Dagostino - 30.09.2018

Wie geil ist das denn! Big Grin

Als die Grünen im letzten Wahlprogramm ihre Wähler mit gefühlt 1000 Verhaltensvorschriften bedrohten, wurden sie massiv abgestraft. Vielleicht lesen ja auch AfD Wähler mal, was ihre Lieblingspartei ihnen zumuten würde, wenn sie Regierungsmacht bekäme?
- Ein Staat mit D-Mark, der dann wieder faktisch pleite wäre wie die DDR in ihrer Endphase. Denn zusätzliche soziale Wohltaten ausschütten kann man nur, wenn man irgendwo Geld abgreift (siehe Italien) oder es selber zusätzlich erwirtschaftet. Wenn wir alle Nichtarier aus dem Land vergrätzen, werden wir aber viele blühende Landschaften haben und wenig Spitzentechnologie.
- Im AfD Programm ist bisher kein Mauerbau geplant. Was hindert die cleveren, jungen Deutschen oder auch die vermögenden alten Deutschen daran, ihr Glück anderswo in der Welt zu suchen? Österreich, Schweiz, spanische Inseln, Thailand, es gibt viele schöne Gegenden in der Welt. Manche wandern sogar in die USA aus. (Auch da gibt es historische Beispiele, ich nenne mal italienische "Gastarbeiter", deren Familien sich nun über mehrere Kontinente verteilen.) Gegenden mit hohem AfD Wähleranteil zeichnen sich häufig dadurch aus, dass dort schon die meisten cleveren, jungen Deutschen oder vermögenden alten Deutschen weggezogen sind.
- Gerade läuft global gesehen ein Handelskrieg zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen politischen Systemen: China und USA. Da kommen sehr wichtige Themen auf Europa zu, wenn es nicht zwischen den beiden Giganten aufgerieben werden will. Ob da irgendein Mimimi "du-darfst-hier-keine-Moschee-bauen" zielführend ist, oder nur unnötig Gedankenenergie verschwendet, mag jeder selber entscheiden. Europa erwartet von den beiden stärksten Mitgliedsländern Deutschland und Frankreich zukunftsweisende Ideen und keinen Rückzug in politische Bedeutungslosigkeit.


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 30.09.2018

Hallo und herzlich Wilkommen zu einer neuen Folge von "Warum die AfD Scheiße ist".
Nach der Präambel ist eine Seite eingefügt, die mit "Demokratie und Grundwerte" überschrieben ist und die im Prinzip eine Art Verschwörungstheorie postuliert. Damit wollen wir uns heute mal befassen.

Zuerst wird sich dafür ausgesprochen, Deutschland zu reformieren und an die Prinzipien anzuknüpfen, die zum Wirtschaftwunder geführt haben - zerbombte Städte und Finanzspritzen der Amerikaner?
Oder ist das Wirtschaftswunder der Dreißiger Jahre gemeint?
Das Wirtschaftswunder der Fünfziger ist nicht wiederholbar, es fand in einer Ausnahmesituation statt. Es kann keine Arbeitslosigkeit geben, wenn es tausend Mal mehr Baustellen als Baufirmen gibt und wenn die Hälfte der jungen Männer im Krieg gefallen ist. Die Folge waren berufstätige Frauen und der Zuzug von Gastarbeitern.
Das Wirtschaftswunder der Dreißiger ist wiederholbar, wenn man wieder so einen nationalsozialistischen Staat errichtet und Leute zur Zwangsarbeit abkommandiert.
Was ist hier also genau gemeint?

Die Frage wird nicht beantwortet, stattdessen geht es weiter mit der Feststellung, dass der Staatapparat ein Eigenleben entwickelt habe. Dass die Bürokratie ein Staat im Staate sei, ist aber keine neue Erkenntnis (und dass das Militär von Reichsbürgern unterwandert ist und von diesem die weit größere Gefahr ausgehen könnte, wird mit keiner Silbe erwähnt).
Die Machtverteilung würde nicht mehr den Grundsätzen der Gewaltenteilung entsprechen, heißt es.
Gewaltenteilung ist die Verteilung von Staatsgewalt auf mehrere Organe und klassischerweise unterscheidet man Gesetzgebung (also das Parlament), ausführende Gewalt (die Polizei) und Rechtsprechung (zum Beispiel das Amtsgericht).
Tatsächlich gibt es da Überschneidungen, zum Beispiel sind über 20% der Bundestagsabgeordneten Juristen (früher gab es mehr Lehrer) und es gibt 10 Polizeibeamte, denn jeder Bürger darf Abgeordneter werden. Damit die Gewaltenteilung weiterhin sichergestellt ist, ruht das Beamtenverhältnis während der Zeit des Mandats. Das wird geregelt im Abgeordnetengesetz des Bundes, § 5.
Das bedeutet also, dass wir jetzt mehr Juristen und weniger Lehrer im Parlament haben, das schon immer ein Beamtenparlament war, es bedeutet aber auch, dass diese Lehrer, Polizisten und Staatsanwälte, während sie im Bundestag sitzen, nicht arbeiten dürfen. Sie sind während dieser Zeit also Berufspolitiker, aus genau dem Grunde der Gewaltenteilung.

Als nächstes wird behauptet, dass die Verträge von Schengen, Maastricht und Lissabon die Volkssouveränität als Fundament des Staates aufgehoben hätten. Das ist ein ziemlich krasser Gedankensprung und nun befinden wir uns im Bereich "Staatsrecht".
Schengen erleichtert das Reisen innerhalb der EU ohne Grenzkontrollen. Die beiden anderen Verträge (außerdem gibt es noch einen Vertrag von Amsterdam) regeln die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in den Bereichen Innenpolitik, Außenpolitik und die Kooperation der Polizei in Strafsachen. Das nennt man "die drei Säulen der EU". Wenn diese Verträge die Volkssouveränität gefährden, kann also nur ein Austritt aus der EU die Konsequenz sein.
Das würde zuerst einmal sehr viel Geld kosten und mit enormem Aufwand verbunden sein. Die deutsche Mark würde stark abgewertet werden und Investitionen von Ausländern würden ausbleiben. Zuerst einmal würden also die Arbeitslosenzahlen steigen, aber die Tourismusbranche könnte von der schwachen D-Mark profitieren. Außerdem könnte man alle Außengrenzen schließen und ich vermute, das ist der Plan.

Jetzt kommt die Verschwörungstheorie: "Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. Es hat sich eine politische Klasse von Berufspolitikern herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt. Es handelt sich um ein politisches Kartell ..."
Also: Innerhalb aller europäischer Parteien gibt es angeblich eine "Klasse" von Berufspolitikern. "Berufspolitiker" gibt es seit dem Mittelalter und sie sind keine Klasse.
Diese Personen hätten jedenfalls die "Fehlentwicklungen" - damit sind vermutlich die EU-Verträge gemeint - zu verantworten.
Ja, Politiker haben das angeleiert, und wir haben diese Menschen gewählt. Jeder Politiker, egal, ob er nebenher noch woanders arbeitet oder nicht, hat ein Interesse am Machterhalt und an seinem Wohlergehen. Jeder Mensch hat diese Interessen. Ist das ein Kartell und wenn ja - wie will man das ändern, wo es doch schon immer so war?

Welchen Vorteil hätte eine kleine Gruppe von Verschwörern - sicher sind es die Freimaurer - daran, aus den europäischen Nationalstaaten die Vereinigten Staaten von Europa zu bilden?
Läge es nicht näher, zu unterstellen, dass gewisse Entscheidungen der Parlamentarier zugunsten multinationaler Konzerne durch gezielte Lobbyarbeit zustande kommen?
Wäre es nicht sinnvoller, da genauer hinzusehen?
Wer sitzt denn da eigentlich im Europarat und beschließt ein Gesetz nach dem anderen, das Menschen in ihren Freiheiten beschneidet und den multinationalen Konzernen jedes kleine Hindernis aus dem Weg räumt? Dort sitzen die Abgeordneten, die wir gewählt haben. Wenn man mit diesem System unzufrieden ist, muss man jemand anders wählen oder der Korruption den Riegel vorschieben oder eine ganz andere Form von Demokratie einführen, nämlich die schon erwähnte Direkte Demokratie, aber damit beschäftigen wir uns beim nächsten Mal intensiver.

Natürlich wäre es auch eine Lösung, aus der EU auszutreten oder als Bundesland aus der BRD und dann könnte man noch als Kreisfreie Stadt die Autonome Republik Chemnitz gründen. Könnte man machen, hätte aber verheerende Konsequenzen für zum Beispiel die europaweite Fahndung nach Terroristen wie Anis Amri. Auch kann nur eine bessere Vernetzung europäischer Behörden Asylmissbrauch verhindern. Dazu braucht man eben die EU.
Ein EU-Ausstieg würde auch viele Europäer ganz erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit behindern. Jetzt kann ich in Spanien abeiten und in Frankreich krankenversichert sein. Ich brauche keinen Pass, wenn ich mal schnell nach Dänemark will. Ich kann aus kroatischen Kühen italienische Schuhe herstellen und in Österreich verkaufen. Für alle Menschen, die sich als Europäer fühlen, bedeuten die Pläne der AfD keineswegs Freiheit, sondern eine Rückkehr zu DDR-artigen Grenzkontrollen, Probleme mit Aufenthaltstiteln im europäischen Ausland, Behördenkriege und nicht zuletzt weniger Sicherheit in Bezug auf Terroristen und international operierende kriminelle Banden.
Ein EU-Austritt ist also ein konservatives Ansinnen und löst Probleme nur auf lokaler Ebene für Leute, die ihren Arsch noch nie aus ihrem Dorf hinaus bewegt haben.

Die Verschwörungstheorie besagt nun weiter, dass das ominöse Kartell zwar die Macht an die EU abgibt, sich selbst also das Wasser abgräbt, aber dennoch die Schalthebel bedient und "die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat."
Die Presse steckt also auch mit drin in diesem Kartell von Berufspolitikern.
Das finde ich alles total unlogisch. Es ist hanebüchener Unsinn.

"Nur das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland kann diesen illegitimen Zustand beenden."
Was genau dieser illegitime Zustand ist, wird mir aber nicht erläutert. Wäre die Mitgliedschaft in der EU illegitim, hätte das Bundesverfassungsgericht sich sicherlich eingemischt. Oder irgendein anderes Gremium, das dafür zuständig ist, illegitime Zustände zu beseitigen.
Mein Fazit für diesen Abschnit lautet: Keine kausale Argumentation, zu komplizierte Sätze, unbelegte Behauptungen, Gedankensprünge, Verschwörungstheorien und keinerlei Grundwerte.

Das war's für heute, bleiben Sie uns gewogen und schalten Sie auch nächstes Mal den Volksempfänger ein, wenn es wieder heißt: "Warum die AfD Scheiße ist". Dann zum Thema "Direkte Demokratie".


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 01.10.2018

Hallo Batholomew,

(zu 1., 2., 3.)
Ich weiß, dass eine Radikalisierung stattgefunden hat, aber habe mich trotzdem für das Grundsatzpapier entschieden, damit keiner sagen kann: "Eigentlich waren die mal total cool, nur jetzt sind die falschen Leute am Ruder." Denn die waren noch nie cool.

(zu 4.)
Der Brexit hat für einen Einbruch bei Pfund gesorgt, zu unsicheren Anlegern und einem Rückgang der Auslandsinvestitionen. Eine Wiedereinführung der D-Mark unter einer nationalliberalen Regierung würde mit sehr großer Sicherheit eine ähnliche Verunsicherung hervorrufen. Die werden auch sehr wahrscheinlich die Grenzen zumachen, dann hat man da wieder kilometerlange LKW-Schlangen.
Ansonsten gehe ich da mit Dir konform (Punkt 5).

(zu 6.)
Das Bundesverfassungsgericht trifft mitunter seltsame Entscheidungen. Zum Beispiel ist Inzest unter Geschwistern strafbar, begründet wurde das mit "Bewahrung der familiären Ordnung","Schutz der in einer Inzestbeziehung "unterlegenen" Partner" (?) sowie "die Vermeidung schwerwiegender genetisch bedingter Erkrankungen bei Abkömmlingen", was sehr nach "Verhütung erbkranken Nachwuchses" klingt.
Spätabtreibungen, also das Töten von Kindern bis kurz vor der Geburt, weil sie vielleicht behindert sind, sind nicht rechtswidrig. Normale Abtreibungen sind rechtswidrig, aber straflos. Auch eine seltsame Entscheidung.
Dann wurden auch noch die Rundfunkgebühren als verfassungskonform erachtet. *Kopfkratz*
Aber im Großen und Ganzen sitzen da Leute, die Ahnung von der Materie haben, hoffe ich zumindest, wenn man schon dem Verfassungsschutz nicht mehr vertrauen kann.

(zu 7.)
Dass die Parteien in den Gremien der Fernsehsender sitzen, fand ich schon immer seltsam, aber es ist eben Staatsfernsehen. Viele private Sender gehören demselben Konzern, daher ist es bedenklich, wenn Politiker und Wirtschaftsbosse überhaupt miteinander reden, aber das ist ein anderes Thema.
Dennoch gibt es Sendungen wie Frontal21 oder diesen Böhmermann, RTL hat Spiegel TV und Team Wallraff.
Ich habe schon oft erlebt, dass Fakten im Staatsfernsehen falsch dargestellt wurden, zum Beispiel bei Demos, bei denen es zu Ausschreitungen kam. Die falschen Nachrichten entstehen, wenn einer die Pressestelle der Polizei anruft und nicht vor Ort war. Aber heutzutage filmen die Leute alles mit und es ist sofort auf Youtube und dann weiß man, was wirklich abging. Manchmal erscheinen solche Videos sogar im Staatsfernsehen und sorgen für politischen Wirbel.

Die Piraten sind ja so ein Thema für sich, die hatten außerdem das Problem, dass es Machtgerangel gab, dass der eine was anderes erzählt hat als der andere und dann war natürlich auch dieser Mörder Brunner keine gute Publicity.

Ich bin noch nicht sicher, ob ich hier weitermache, denn es wurde mir von einem der Betreiber des Forums gesagt:
" Otto, hör auf dich mit der AfD zu befassen, deren Argumentationsformen färben sonst noch mehr auf dich ab."
Einerseits frage ich mich, warum ich in einem Forum aktiv sein soll, in dem ich beleidigt werde, andererseits reift in mir die Idee eines Threads zum Thema "Warum die PDS Scheiße ist", damit meine Argumentationsformen wieder marxismuskonform werden.

LG, Otto


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Klarabella Karamell - 01.10.2018

Ich finde ja auch, bevor wir hier über Politik diskutieren, sollten wir es wie weiland die Grünen, als sie noch in Gründung waren, halten, und erstmal das Wesentliche klären, a la:
Antrag zur Geschäftsordnung:
"Ich möchte, das Ulf hier mal öffentlich gerügt wird, weil der hat mein Kind einfach so aufgefordert, mal die Klappe zu halten. Das ist total übergriffig und so geht das nicht!"


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Anachron - 01.10.2018

(01.10.2018, 14:29)Otto vonOtter schrieb: ...
Ich bin noch nicht sicher, ob ich hier weitermache, denn es wurde mir von einem der Betreiber des Forums gesagt:
" Otto, hör auf dich mit der AfD zu befassen, deren Argumentationsformen färben sonst noch mehr auf dich ab."

Richtigstellung: Ich bin kein Betreiber dieses Forums, das ist ganz allein Bogus. Ich habe hier Moderatorenrechte, aber das macht mich nicht zum Betreiber und mein Wort nicht höherwertig als deines oder eines anderen Forenmitglieds. Ich habe oben genannte Äußerung getan und stehe auch dazu (das war aber in einem anderen Thread und bezog sich explizit auf dort gemachte Äußerungen deinersets), die Äußerung gibt aber nicht (zwingend) die Meinung des Forenbetreibers wieder.


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 01.10.2018

Hallo und herzlich Wilkommen zu einer neuen Folge von "Warum die AfD Scheiße ist."
Wir beschäftigen uns heute mit dem ersten Punkt des Programms und mit der direkten Demokratie.
Die Überschrift lautet: 1.1 Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild

In dem Artikel werden die Vorteile der Direkten Demokratie aufgelistet und die Nachteile nicht. Stark vereinfacht ausgedrückt sind die Vorteile: Die Politikverdrossenheit ist geringer, die Menschen wären nicht 4 Jahre lang von allem ausgeschlossen, Lobbyarbeit und Korruption wären schier unmöglich, dafür wäre es leichter, über die Medien bestimmte Entscheidungen zu beeinflussen. Die Parteien würden an Bedeutung verlieren und das Parlament würde lediglich Gesetzesvorlagen ausarbeiten und einreichen, aber nicht mehr entscheiden.
Eigentlich bin ich ein großer Fan von Direkter Demokratie, aber ich werde nun ausführen, was in diesem Fall wirklich dahintersteckt.

Kehren wir kurz zu der Verschwörungstheorie von Seite 2 zurück: "Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht, soweit diese nicht an die EU übertragen worden ist, die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat." Dieses Kartell soll ja beseitigt werden und ersetzt durch ein Kartell von AfD-Kadern, das dann "die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat."
Außerdem würde die AfD, wenn sie an die Macht käme, Einfluss auf das Staatsfernsehen haben. Hier gab es zwar 2014 eine Erneuerung des Staatsvertragen und die Mitglieder der Parteien stellen nur noch 1/3 des Fernsehrates, aber Einfluss üben sie dennoch aus.

Als allererstes würde die AfD also aus der EU austreten. Da könnten sie in einer direkten Demokratie ganz gute Chancen haben, auch wenn sie nicht an der Regierung beteiligt sind. Im deutschen Bundestag würden sie damit scheitern.
Dann würde man natürlich die Asylgesetze ändern und EU-Ausländern das Leben schwer machen. Wieder würde das in einer direkten Demokratie glatt durchgehen, im Bundestag würde es scheitern.
Das Recht auf Asyl steht im Grundgesetz, daher würden die Verfassungsrichter Alarm schlagen, aber die Verfassung könnte man auch ganz schnell ändern: "Ohne Zustimmung des Volkes darf das Grundgesetz nicht geändert und kein bedeutsamer völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden."
Das bedeutet im Umkehrschluss, mit der Zustimmung aller Bürger darf das Grundgesetz geändert werden, wenn es nach der AfD geht. Bisher entschied darüber das Parlament.

Das Recht auf Asyl steht bei uns im Grundgesetz, Artikel 16a. "(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
Dieses Gesetz wurde aber ergänzt um die Dritt-Staaten-Regel, so dass praktisch nur in 2% aller Fälle das Asylrecht gewährt wird. Würde es grundsätzlich nicht gewährt werden, müsste man aber nicht all diese Anträge prüfen. Die Behörden sind nämlich überfordert damit.
Die EU-Kommision hat im August 2015 bemängelt, dass Deutschland in den ersten sieben Monaten des Jahres 218.000 Asylanträge entgegengenommen, aber nur 156.000 Datensätze in das zentrale Erfassungssystem der EU eingestellt habe und im September desselben Jahres die Bundesregierung gefragt, warum 2014 von den 128.000 Personen ohne Aufenthaltsberechtigung nur 34.000 ausgewiesen wurden. (Quelle)

Ohne das Recht auf Asyl könnte man einfach alle Asylbewerber sofort abschieben. Am besten mit dem Güterzug.
In einer direkten Demokratie würde das in der momentanen Stimmungslage der Bevölkerung mit Sicherheit klappen. Und die EU kann dann einen Scheißdreck rügen, wenn Deutschland nicht mehr in der EU ist. Wir sehen also, was hier dahintersteckt und warum es in Deutschland trotz der vielen Vorteile nur eine eingeschränkte direkte Demokratie (Volksbegehren und Volksentscheid) gibt: Man hat aufgrund der Erfahrungen in den Dreißigern einfach Angst, dass Rechtpopulisten wie die AfD die Bevölkerung brainfucken und dann die Öfen wieder brennen.

Die Schweiz, die immer gern als Beispiel für eine direkte Demokratie hergenommen wird, hat eine ganz andere Geschichte und die Bürger gehörten dereinst vier verschiedenen Völkern an.
Die Infrastruktur war außerdem nicht wirklich geeignet, einen zentralen Regierungserlass binnen eines Tages in die hinterletzte Schlucht zu transportieren. Auch in Norwegen, wo man ähnliche geologische Phänomene hinnehmen muss, haben die Kommunen sehr viel Entscheidungsspielraum. Wenn man zum nächsten Dorf vier Stunden über einen Bergkamm kraxeln oder einen Tag lang Ruderboot fahren muss, dann macht es Sinn, wenn gewisse Belange einfach direkt entschieden werden.
Außerdem haben die Schweizer noch nie einen Holocaust angezettelt. Ihr nationales Selbstverständnis steht in keiner faschistischen Tradition.
Und auch in der Schweiz hat das Bundesrecht Vorrang vor dem Kantonsrecht. So wurde zum Beispiel 1990 das Frauenwahlrecht im Kanton Appenzell-Innerhoden eingeführt, obwohl dagegen gestimmt worden war, von den Männern selbstredend, die Frauen durften ja nicht mit abstimmen.

Das führt uns zum nächsten Punkt: Minderheiten oder Nicht-Wahlberechtigte würden in einer Direkten Demokratie viel stärker benachteiligt werden. Als Beispiel nehme ich mal eine Abstimmung "Sollen alle Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ausgewiesen werden?", an der nur Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit teilnehmen dürfen. Die einen entscheiden also über die anderen.
Ein Parlament setzt sich eher für die Belange von Minderheiten und Nicht-Wahlberechtigter ein, als die Bevölkerung in direkter Demokratie.
"Sollen Moscheen verboten werden?" - Die allermeisten Deutschen sind keine Moslems und mögen keine Moscheen, also warum sie nicht verbieten? Den entsprechenden Abschnitt Nummer 4 im Grundgesetz kann man ja gleich mit ändern:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich, sofern man kein Muselmann* ist.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet, sofern man keine Moschee baut.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden, bis demnächst, wenn wir die Wehrpflicht** wieder einführen.

*Political Correctness soll abgeschafft und die **Wehrpflicht wieder eingeführt werden, aber dazu später.
Hier wollte ich nur einmal ausführen, warum Direkte Demokratie total nach hinten los gehen kann. Sehr viele Punkte im AfD-Programm klingen erst einmal sehr gut, aber bedeuten Rückschritte, besonders für Minderheiten und auch Frauen, wie wir noch sehen werden.
Das war es wieder für heute, schalten Sie auch nächstes Mal den Volksempfänger ein, dann zum Thema "schlanker Staat für freie Bürger".

@ Klara: Ich finde auch, dass Ulf gerügt werden muss, außerdem soll er öffentlich Selbstkritik üben und darf 3x nicht am Joint ziehen.


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 02.10.2018

Hallo und herzlich Willkommen zu Folge 4 der beliebten Unterhaltungssendung "Der schwarze Aal" von und mit Karl-Eduard von Otter. Heute zum Thema:
1.2 Schlanker Staat für freie Bürger

"Der Staat ist für den Bürger da, nicht der Bürger für den Staat."
Das klingt, wie immer, erstmal gut.
"Nur ein schlanker Staat kann daher ein guter Staat sein." Dem kann man nur bedingt zustimmen.
Stellen wir uns mal einen extrem schlanken Staat vor: Es gibt einen König, ein paar Minister und lauter sich selbst verwaltende Kommunen. Der König sammelt Steuern ein und hilft in Katastrophenfällen wie Überschwemmungen. Im Kriegsfall müssen alle Bürger Soldaten werden, darum gibt es auch ein paar Offiziere. Es gibt keine staatlichen Schulen, Eisenbahnen, Postkutschen oder Straßen, keine Polizei und natürlich auch keine sozialen Systeme. Das machen die Kommunen alles selbst.
Eine dieser Kommunen kommt nun auf die Idee, eine Art Nationalsozialismus zu errichten, mit nationalsozialistischen Schulen, in die alle Kinder gehen müssen. Leute mit abweichender Meinung werden gesteinigt, denn in einem schlanken Staat gibt es auch nur kommunale Gerichte. Herr Müller bricht sich ein Bein und kann nicht mehr arbeiten. Die anderen versorgen ihn mit, aber das ist nicht geschenkt, sondern nur gepumpt und wenn er nicht wieder gesund wird, wirft man ihn einfach ins Moor.

Ein schlanker Staat ist also nicht unbedingt gut für alle Beteiligten. Im obigen Extrembeispiel finde ich vor allem nationalsozialistische Schulen und die Abwesenheit staatlicher Gerichte kritisch. Der König muss also Gesetze erlassen, zum Beispiel: "Kranke dürfen nicht ins Moor geworfen werden", und die Umsetzung gewährleisten, durch Beamte. "Erforderlich ist ein vom Staat garantierter Ordnungsrahmen, in dem sich die Bürger frei entfalten können."
Genau. Dieser Rahmen soll jedoch nach Meinung der AfD sehr weit gesteckt sein und ich vermisse die soziale Komponente. Stutzig macht mich auch dieser Satz: "Die ständige, vielfach ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben stößt an finanzielle und faktische Grenzen. Sie bedroht inzwischen den Kerngehalt der elementaren Freiheitsrechte der Bürger."
Was ist damit gemeint? Der Staat hat sich zB. zurückgezogen in den Bereichen Post und Bahn. Die Arbeitsvermittlung wird größtenteils von privaten und kommunalen Trägern übernommen. Von einer Expansion der Staatsaufgaben kann keine Rede sein. Und was ist mit "ideologiegetrieben" gemeint?
Sicher hat jede Partei eine Ideologie und die wird dann umgesetzt. Ich dachte, das sei der Sinn der Sache. Die AfD hat ja auch eine Ideologie:

"Der Staat hat sich verzettelt. Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung. Aufgaben jenseits dieser vier Kerngebiete bedürfen besonderer Rechtfertigung."
Die sozialen Systeme, die Bildungspolitik und die Familienpolitik werden nicht erwähnt. Was seltsam ist, weil später gefordert wird, Familien zu unterstützen. Es gibt also nur noch Armee, Polizei, Justiz, Diplomaten und Steuereinteiber? Und der Rest wird privatisiert?
"Wir wollen prüfen, inwieweit vorhandene staatliche Einrichtungen durch private oder andere Organisationsformen ersetzt werden können."
Tatsache. Private Arbeitslosenversicherung, Rente, Krankenkasse, Pflegeversicherung? Und wer das nicht zahlen kann, der kriegt dann auch kein Geld und muss verhungern? Und was ist mit den Schulen? Kinderzirkus Halligalli? Filmförderung für lustige, bekiffte Studenten?
"Die gewaltige demografische Problemlage, die uns in Deutschland bevorsteht, wird uns zu einem veränderten Staatsverständnis zwingen."

Was meinen die da genau? Wird nicht näher erklärt, aber die demografische Problemlage sieht so aus: Es fehlen Fachkräfte und schlecht ausgebildete Leute sind arbeitslos. Sehr viele Menschen sind alt oder behindert und immer mehr sind von der Leistungsgesellschaft derart gebeutelt, dass sie aus psychischen Gründen nicht mehr arbeiten können. Also, warum nehmen wir nicht die schlecht ausgebildeten und bilden sie auf Staatskosten?
Nein, wir stecken sie lieber 4x hintereinander in dieselbe "Maßnahme" wo man lernt, wie man Bewerbungen schreibt, aber nicht, wie man Webseiten programmiert. Diese Problematik lässt sich nicht dadurch lösen, dass der Staat sich auf angebliche Kernaufgaben konzentriert, die hier willkürlich herausgepickt wurden.

Damit ich nicht zu lange darüber nachdenke, wird das alles jetzt begründet mit: "Grundlage unserer politischen Überzeugungen ist ein differenziertes Menschenbild, das sich der Freiheitschancen, aber auch der Gefährdungen des Menschen stets bewusst bleibt. Die AfD setzt sich dafür ein, Volksentscheide (...) einzuführen. Wir glauben nicht an die Verheißungen politischer Ideologien oder an die Heraufkunft eines besseren, eines ‚Neuen Menschen‘. Eine Geschichtsphilosophie, die von einer Höherentwicklung der individuellen menschlichen Moral ausgeht, halten wir für anmaßend und gefährlich."
Ich glaube, dass Moral sich sehr wohl individuell und auch in einer Gesellschaft entwickelt, schließlich versenken wir heute keine Menschen mehr im Moor und ich individuell klaue meinem Bruder keine Schokolade mehr.
Die AfD glaubt das aber nicht. Und deshalb soll man öffentliche Schulen und soziale Systeme abschaffen? Versteh ich jetzt nicht ganz. Was hat Moral damit zu tun? Was ist eigentlich Moral?

Ganz platt gesprochen, die Erkenntnis, dass ich meinem Bruder nicht seine Schokolade wegfressen sollte, weil ich auch nicht will, dass man mir die Schokolade wegfrisst. Meine Moral hat zu tun mit meinem Hunger, mit der Art und Weise, wie ich erzogen wurde und behandelt werde und auch mit angeborener Empathie.
Im Idealfall bin ich ein zufriedenes, sattes Kind, mit liebevollen Eltern, habe selber immer Zugang zu Schokolade und bin auch emotional begabt, weil ich in dieser liebevollen und altruistischen Umgebung eventuelle angeborene Empathiedefizite kompensieren lerne. Wenn man nun dafür sorgen würde, dass es allen Kindern so geht, hätte sich die Moral in der gesamten Gesellschaft eine Generation später schon höher entwickelt und es gäbe keine Schokoladendiebe mehr. Und genau darum ist es wichtig, dass der Staat sich in die Kindererziehung (und damit in die Freiheit des Bürgers) einmischt, damit wenigstens gewisse demokratische Grundwerte in den Köpfen verankert werden können, wenn schon Schokolade geklaut wird.

Die AfD glaubt nicht an das Gute im Menschen und auch nicht, dass alle Menschen dieselben Rechte haben und gleich behandelt werden sollten. Das unterscheidet eben Rechte von Linken, letztlich ist es aber wirklich eine "Glaubensfrage", also in beiden Fällen eine Ideologie. Diese rechte Ideologie soll den Kindern von den Eltern ohne staatliche Störung vermittelt werden. Viele Neonazis beklagen, dass sie ihre Kinder in staatliche Schulen schicken müssen, wo die natürlich ausgelacht werden mit dem Dirndl. Und auch die Gründung privater Schulen würde nicht viel helfen, weil es Lehrpläne gibt und da steht genau drin, was in's Geschichtsbuch gehört. Also muss die staatliche Einmischung in den persönlichen Bereich der Erziehung radikal abgeschafft werden, sonst können die lieben Kleinen ja keine Schlesierlieder mehr trällern.
Liberale Gedanken sind oft nicht so schlecht, aber wenn wir den Nazis erlauben, ihre Kinder selbst zu unterrichten, müssen wir anderen erlauben, ihre Kinder zum Betteln zu schicken oder ins Bergwerk oder zur Prostitution. Wir müssen auch alle nur denkbaren Drogen legalisieren und den Personalausweis abschaffen, denn das sind auch Eingriffe in die Freiheit des Bürgers.

Als nächstes folgt ein längerer Abschnitt mit philosophischen Betrachtungen darüber, dass die Geschichte nie zuende geschrieben wird und dass eine realistische Politik "sich der Unvollkommenheit und Vorläufigkeit ihrer möglichen Ergebnisse stets bewusst bleiben" sollte. Klingt erst mal ganz gut, aber dann kommt: "Die auf vielen Politikfeldern durch die etablierten Parteien propagierte Alternativlosigkeit vermeintlicher Sachzwänge halten wir für in hohem Maße demokratie- und rechtsstaatsgefährdend."
Die AfD hat aber vorhin gerade demografische Entwicklungen als einen solchen Sachzwang genannt. Um uns den schlanken Staat zu verkaufen. Ohne die demografischen Entwicklungen näher zu erläutern. Das finde ich nun auch rechtsstaatgefährdend.

"Rechtsstaatsprinzip und Vertragstreue sowie demokratische Legitimation haben für uns Vorrang vor kurzfristigem Aktionismus und wahlwirksamer Effekthascherei."
Haha, ja. Sagt die Partei, deren Anführer Kriminalitätsstatistiken erfinden. Die Seite an Seite mit Neonazis und Verfassungsfeinden gegen die krasse Islamisierung Sachsens demonstrieren.
Der AfD ist sogar Angela Merkel noch zu links, hier eine gemeinsame Protestaktion von AfD, NPD, Identitärer Bewegung, Pegida, Bärgida sowie Aktivisten der Neonaziszene.
Das genau ist Aktionismus und Effekthascherei kurz vor der Wahl 2017.

"Als ‚Partei des gesunden Menschenverstandes‘ setzen wir auf das politische Urteilsvermögen und die Verantwortungsbereitschaft der mündigen Bürger. Richtschnur unseres Handelns ist die Grundüberzeugung, dass die Bürger das politische Geschehen so weit wie möglich selbst bestimmen können sollen."
Also, ich habe eher den Eindruck, dass die Starken über die Schwachen entscheiden sollen und sich Extremisten der staatlichen Kontrolle entziehen wollen. Außerdem verstehe ich nicht, wie man den Bürgern einerseits individuelle moralische Entwicklung absprechen kann und dann verlangt, dass diese Masse entwicklungsresistenter Höhlenmenschen in direkter Demokratie ein Land regiert. Mit liberal hat das alles nichts mehr zu tun, auch nicht mit humanistisch, sondern ich höre hier eine sozialdarwinistische Nachtigall herantrapsen.

Nächstes Mal geht es um die Gewaltenteilung, die von der AfD auf eine neue Art definiert wird, welche BürgerInnen in ihren Grundrechten beschneidet. Bleiben Sie uns gewogen und schalten sie auch nächstes Mal wieder den Volksempfänger ein.


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Uwe Furse - 03.10.2018

Mich würde von Otto mal eine politische Analyse zur neuen Bewegung Aufstehen interessieren.


RE: Warum die AfD Scheiße ist - Otto vonOtter - 03.10.2018

Hallo Batholomew und Uwe,

erstmal kurz zu Ahrend. Die hatte ein ganz anderes Menschenbild, sie glaubte an potentielle Freiheit und Gleichheit zwischen zwei Menschen und forderte dazu auf, sich in die Perspektive des anderen hineinzuversetzen.
Sie glaubte sozusagen daran, dass Menschen sich "individuell moralisch" höherentwickeln können und solche Menschen könnten dann auch mit Direkter Demokratie regieren.
"Aufstehen" möchte auch direkte Demokratie, aber ich glaube, das ist jetzt kein günstiger Zeitpunkt. Für die Gründung einer überparteilichen linken Bewegung schon, ich halte viel davon, aber ich halte auch die Deutschen noch nicht für reif für die Direkte Demokratie, wenn ich mir die Ereignisse der letzten Wochen so anschaue.
Ich will nicht in einer Welt leben, wo jene Populisten, die am lautesten "Lügenpresse" rufen, dann darüber entscheiden, wen ich heiraten und wo ich wohnen darf.
Vielleicht könnte man das ja erstmal auf kommunaler Ebene antesten, "Sollen die 4 Parkplätze am Ende der Dorfstraße einem Holocaust-Denkmal weichen?"

LG