03.10.2022, 09:30
(02.10.2022, 21:54)Mareta Dagostino schrieb: OpenSim => Kann keinen Headset-Betrieb (abgesehen von ziemlich extremen Entwickler-Setups). Außerdem ist der Quellcode hoffnungslos verbastelt, so dass nur noch einzelne Enthusiasten da durchblicken das irgendwie am Leben zu halten.Das ist auch ein Punkt. "Läuft es auf 'ner Meta Quest? Nein? Uninteressant!"
Der Fokus liegt momentan tatsächlich auf VR mit Brille. Für "Pfannkuchen" (2D-Endgeräte wie Laptops, Smartphones etc.) interessiert sich im Zusammenhang mit virtuellen Welten gefühlt keine Sau. Und OpenSim wird so schnell nicht über Brillen laufen, ebensowenig wie Second Life, weil du einfach die nötigen garantierten 60fps nie zustandebringen wirst. Selbst mit einer Umstellung von Uralt-OpenGL auf Vulkan könnte man das nur hier und da schaffen, aber nicht garantiert immer. Auf einer Standalone-Brille, in der nunmal keine 4090Ti eingebaut ist, schon mal erst recht nicht. Dafür sind die In-World-Assets zu komplex.
(02.10.2022, 21:54)Mareta Dagostino schrieb: Overte/Vircadia => Gute Codebasis, leider momentan noch nur im Fokus weniger Entwickler und Nerds.Vircadia hätte noch bessere Karten, weil es kommerziell ist, man darin also Geld machen kann. Das Netzwerk selbst ist aber nicht als Gelddruckmaschine vorgesehen, hätte also auch keine Chance auf Venturekapital zu Werbezwecken. Wenn, dann würde Werbung für Vircadia von kommerziellen Nutzern kommen, die gibt's aber noch nicht. Außerdem stockt die Weiterentwicklung, auch deshalb, weil so einige aus dem ursprünglichen Core-Team zu Overte gewechselt sind.
Overte wird schon eher vorangetrieben, will aber definitiv unkommerziell bleiben.
(02.10.2022, 21:54)Mareta Dagostino schrieb: Meine Befürchtung ist, dass im Mainstream nur landen kann, wer mit riesigem Werbebudget und Lobbyarbeit eine kritische Menge an User:innen hinter sich versammeln kann, als Community. Wie in den Social Media. Ob diese Gewinner-Firma dann hinreichend offen ist, um unabhängige Server einzubinden, das wird meiner Ansicht nach eine Frage der Ethik sein.Richtig. Graswurzelgeschichten tauchen in den Medien, wenn überhaupt, nur sporadisch auf. Selbst Mastodon mit seinen Millionen Usern ist den Tech-Medien praktisch gänzlich unbekannt, weil es eben nicht ständig Werbung macht und Klinken putzen geht. Und das, obwohl sogar die deutsche Politik allmählich da Einzug hält, allen voran in Baden-Württemberg, aber auch das BfDI. Ohne Twitterbots sogar.
Es gibt ja Bestrebungen, "das Metaverse" zu vereinheitlichen. Wohlgemerkt, ohne Beteiligung von Linden Lab. Zum einen würde auf die eh niemand hören, und zum anderen könnten die Second Life eh nie an zukünftige Metaverse-Standards anpassen. Overte ist auch nicht dabei, weil man ins Standardisierungskomitee wohl nur als gewinnorientierte Firma reinkommt und nicht als e.V.
Von OpenSim wollen wir gar nicht erst reden. Da steckt nicht mal ein e.V. oder eine Stiftung dahinter, sondern nur Ubit, der kommt schon mit der Entwicklung kaum hinterher. Und wer sollte das sonst machen? Selbst Ilan Tochner würde sich nicht dafür hergeben, ganz OpenSim zu repräsentieren. Außerdem könnte auch OpenSim zukünftige Standards nicht erfüllen, ohne die Kompatibilität mit Second Life und mit dem heutigen OpenSim zu brechen.
Wie das Ganze am Ende ausgeht, da hätte ich ein paar mögliche Szenarien:
- Es werden letztlich Standards definiert. Daran halten aber die Entwickler dieser Standards nicht nur das Copyright, sondern auch Patente. Um diese Standards zu nutzen, muß man also Geld in die Hand nehmen. Damit sind alle nichtkommerziellen Projekte raus.
Womöglich wird man zwingend unfreie, proprietäre, kommerzielle Binärkomponenten kaufen/lizensieren und bei sich einbauen müssen. Damit sind auch all diejenigen raus, die 100% FLOSS bleiben wollen.
- Microsoft und/oder Meta nutzen ihre Marktmacht, um ihre Vorstellungen von Standards durchzudrücken, die letztlich schädlich für die User sind (das ganze Metaverse wird zu einer Datenkrake, alles telefoniert zu Meta nach Hause) und obendrein der FLOSS-Community ans Bein pissen (sorry, wird es nie für freie Betriebssysteme geben, haha).
- Es werden Standards definiert, aber ohne Meta. Es wird ein dezentrales, verteiles Metaverse geben, aber ohne Horizon Worlds, das wie geplant zum Walled Garden wird. Und im eigentlichen Metaverse wird nichts los sein, weil alle nur in Horizon Worlds sind, weil Meta es den Nicht-Nerds als "das Metaverse" verkauft. Viele werden gar nicht wissen, daß es außer Horizon Worlds noch was anderes gibt, so, wie viele heute noch nicht wissen, daß Facebook jemals Alternativen hatte.
- Variation zum letzteren Punkt, und das ist noch eine der besseren Lösungen: Horizon Worlds wird zum Walled Garden und erfährt ein ähnliches Schicksal wie früher andere Walled Gardens: AOL, Compuserve oder Microsofts Versuch, das Microsoft Network zu einem geschlossenen, proprietären Web zu machen, das nur mit Windows und Internet Explorer nutzbar ist. Damals haben sich die Leute auch fürs freie, offene, dezentrale World-Wide Web entschieden. Heute könnten sich die Leute gegen Horizon Worlds entscheiden, auch weil genügend andere Unternehmen sich fürs eigentliche Metaverse entschieden haben und einen Deibel tun werden, auch in Horizon Worlds präsent zu sein.
Wenn Microsoft einen eigenen Walled Garden aufziehen will, werden sie auch damit krachend scheitern. Selbst wenn der bombenfest in Windows eingegossen wird wie damals MSN unter Windows 98SE oder später Skype, werden sich da höchstens Computer- und Internet-Neulinge tummeln, bis sie jemand beim Patschehändchen nimmt und sie dahin führt, wo tatsächlich das virtuelle Leben pulsiert.
Ob dann die Metaverse-Standards frei und offen sein werden oder proprietär, unfrei und gebührenpflichtig, sei immer noch dahingestellt.
- Man wird sich nicht auf Standards einigen können, die Sache wird abgeblasen, Abermilliarden werden sinnlos verpulvert worden sein, und Horizon Worlds wird "das Metaverse". Die anderen kommerziellen virtuellen Welten werden zugrundegehen: Die User werden zu Meta davonrennen, die horrenden Landpreise stürzen ab, und der eine oder andere Cryptocrash erledigt den Rest.
(02.10.2022, 22:23)Bogus Curry schrieb: Vor Jahren hab ich wollte ich das die Opensim Devs mal ein wenig mehr tun würden, aber der einzige der da wohl irgendwie was tut und wohl eher für sich selbst ist ein einziger Core-Entwickler.Ja, im Grunde steht OpenSim vor einer ganzen Reihe an Problemen.
Zunächst mal ist es vielleicht schon zu dezentral. Das "OpenSim-Team" besteht im Grunde nur noch aus Ubit Umarov. Der macht das auch nur in seiner Freizeit und muß ständig der Entwicklung des Firestorm hinterherhecheln, die wiederum der Entwicklung von Second Life hinterherhechelt. Er ist im Prinzip darauf angewiesen, daß grideigene Entwickler den Code vorantreiben und ihre Code-Beiträge nicht nur exklusiv fürs eigene Grid nutzen, sondern an ihn weiterreichen. Die OSgrid-Entwickler machen das ja. Aber Ubit kann nicht zusätzlich auch noch für Publicity sorgen, und außer ihm gibt's niemanden, der dafür zuständig sein könnte.
Die FLOSS-Szene ist hier auch nicht involviert. Zum einen scheint da keiner zu wissen, daß OpenSim existiert. Zum anderen, selbst wenn: Wenn die sich mal den Code angucken würden, würde ihnen wahrscheinlich angst und bange werden. Nicht nur soll das wohl alles recht verquast sein, sondern obendrein ist OpenSim, eine Serveranwendung, in .NET entwickelt worden und braucht unter Linux Mono zum Laufen. Das fassen die mit der Kneifzange nicht an, zumal es da wenige geben dürfte, die .NET überhaupt können. Wenn überhaupt, würden sich da ein paar Leute hinsetzen und alles rewriten, aber sicherlich nicht den vorhandenen Code weiter mitpflegen.
Außerdem hat die heutige FLOSS-Szene eh kein großes Interesse an Anwendungen, die man nicht komplett über die Kommandozeile nutzen kann. GUI kann kaum mehr jemand, und wenn, dann nur mit JavaScript und Electron für Web- oder Smartphone-Anwendungen. Und was es an Kommandozeilen-"Viewers" für OpenSim gibt, läßt auch funktional zu wünschen übrig.
Man hätte OpenSim vielleicht mal auf einer FLOSS-Veranstaltung oder dem Chaos Communication Congress vorstellen können. Aber erstens bin ich mir nicht sicher, ob es so, wie es ist, vorzeigbar ist. Zweitens würde es einen seltsamen Eindruck machen, wenn sich da zum allerersten Mal überhaupt ein Projekt blicken lassen würde, daß es schon seit beinahe 16 Jahren gibt. Und drittens: Wer soll das machen? Das sähe ein bißchen komisch aus, wenn da ein Projekt vorgestellt würde von reinen Anwendern, die nicht mal in direktem Kontakt zum einzigen Entwickler stehen, statt von Leuten, die zumindest an der Entwicklung beteiligt sind.
Auf der Rolltreppe im Kaufrausch / Du nach unten, ich nach oben
Mein OpenSim-Blog: Aus Hypergrid und Umgebung
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