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Dritter Virtueller Literaturcon - Die Interviewreihe
#10
Dritter Virtueller Literaturcon - Im Interview: Barlok Barbosa alias Bernhard Bettschen


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BB: Hallo Barlok, du baust jetzt schon so lange diese großartigen Kulissen. Wir sollten mehr über dich erfahren!

Seit wann bist du schon in SL und was hat dich dorthin geführt?

Bernhard: Ich entdeckte SL im Frühjahr 2007 und war begeistert. Sofort begann ich zu „bauen“. Natürlich damals zuerst wirklich ungelenk und die Möglichkeiten waren auch noch nicht so gut wie heute (Meshes etc). Doch ich mietete eine kleine Parzelle und baute mir eine Galerie, lud einige Bilder meiner RL-Kunst hoch und stellte sie aus.
Was mich an SL vor allem faszinierte, war die schiere Grösse. Man konnte schon damals tagelang umherstreifen und allerlei entdecken. Weiter war die Kommunikation mit anderen sehr interessant und ich erlebte damals als Newbie die wunderbare Hilfsbreitschaft einiger „Erfahrener“. Später baute ich dann selber mit einem Kollegen eine Sim für ein Newbie-Tutorial auf.

BB:Wir kennen dich ja nun als DEN Kullissenbauer in Second Life. Was fasziniert dich so am Bauen in virtuellen Welten?

Bernhard: Meine Faszination am Bauen in SL stammt aus derselben Quelle wie meine Freude am künstlerischen und grafischen Arbeiten in RL. Schöpferisch tätig sein, etwas zu erschaffen scheint ein grundlegendes menschliches Bedürfnis zu sein.

BB: Wie geht das eigentlich? Benutzt du eine bestimmte Software?

Bernhard: Man kann in SL eigentlich alles inworld bauen. Eine besondere Form der Gegenstände sind Sculpties und Meshes, die mehr gestalterische Möglichkeiten bieten, als die Grundformen. Ich habe lange ein Inworld-Tool zum Aufbau von Meshes genutzt. Heute mache ich fast alles offworld in der 3D-Software Blender. Zudem erstelle ich fast alle Texturen immer wieder neu in Photoshop.

BB: Hast du auch schon mal was in anderen Grids gemacht?

Bernhard: Ich war eine Weile in Metropolis. Hat mich aus zwei Gründen nicht halten können: zum Einen ist dort echt wenig Traffic. Wenn man sich dort nicht mit einer Gruppe installiert, dann schweift man immer auf völlig leeren Sims herum.
Weiter gibt(gab) es dort kaum gute Scripte und keine gute Tools, die einem das Bauen erleichtert hätten. Heute würde ich Blender-Meshes dort hochladen können. Das wäre kein Problem. Da ich aber selber nicht scripte, fehlen mir wirklich gute Scripte, um meine Dinge beleben zu können.

BB: Im realen Leben bist du Grafiker. An was für Projekten arbeitest du dort?

Bernhard: Grafisch ist mein Schwerpunkt Konzept und Realisation von Websites. Zudem natürlich Logo-Entwicklung und kleinere Druckaufträge vor allem für KMU und Vereine, aber auch für Private.
Wichtiges Standbein ist zudem die Fotografie. Sie nutze ich natürlich für meine grafischen Aufträge und ebenso mache ich Hochzeits- und Event-Fotografie. Auch kleinere Videos und Luftaufnahmen gehören zu meinem Repertoire.

BB: Und du bist generell Künstler. Ich habe Bilder von dir gesehen, wo du mit Holz arbeitest oder Türme aus Steinen aufgebaut hast. Bist du Bildhauer?

Bernhard: Ich hatte früher immer gezeichnet, später kam die Malerei und Druckgrafik dazu. Ich habe zwischen 1980 und 1994 auch einige Techniken unterrichtet in einer privaten Malschule. Die bildnerische Kunst war mir immer sehr wichtig. Sie wurde jedoch so ab 1998 durch die Holzbildhauerei abgelöst. Seither mache ich vorwiegend Holzskulpturen. Die Stein-Setzungen kann man als Land-Art sehen und für mich sind sie eine Art Meditation in der Natur.

BB: Sind Pixel dir dann nicht viel zu abstrakt?

Bernhard: Hehe – nö. Ob ich nun mit Oelfarbe male oder mit Pixeln hat eigentlich nicht direkten Einfluss auf die künstlerische Tätigkeit. Was so jedoch nur zum Teil stimmt. Natürlich ist die pyhsische Arbeit mit Farben (der Duktus, die Gerüche, etc) schon etwas anderes. Auch die Arbeit mit Kettensäge und Meissel am Holz ist nicht wirklich mit der Arbeit mit der Maus zu vergleichen. Und doch könnte ich nicht sagen, dass ich die eine oder die andere Art präferiere.

BB: Kommt es vor, dass du keinen Monitor mehr ertragen kannst?

Bernhard: Selten. Ich arbeite im Schnitt 8 bis 12 Stunden täglich am Rechner und bekomme nie genug. Natürlich schalte ich Pausen ein und ich habe sehr gute Hardware, was die Arbeit auch erleichtert (zwei Retina-Displays und schnelle Rechner).

BB: Wie ist die Avatarcommunity in Second Life eigentlich so?

Bernhard: Öhm …. wer? Ach so – nun, ich bin kein Hansdampf in allen Gassen. Ich liebe es auch zuweilen etwas ruhiger. Vor allem in RL. Aber die Möglichkeit in SL mit vielen Leuten Kontakt zu haben ist schon sehr interessant. Ich geniesse es manchmal und wenn ich baue, dann bin ich eh weggetreten.
Was ich sehr hoch einschätze in SL sind die kulturellen Events wie Lesungen und Ausstellungen. Auch Live-Konzerte gibt es einige sehr starke (wenn sie wirklich live sind und nicht von Konserve). Dann wären da noch die Roleplay-Communitys, wo ich auch eine Weile reingeschaut habe. Vor allem deutsche Mittelalter-RPs. Dort hat mich die Pflege alter Sprachen und Gebräuche sehr interessiert. Natürlich gibt es andere RPs die dann gar nicht auf meinen Speiseplan passen. Also all die Blut- und Dreck-dinger mit Zombies und allerlei schrägem Zeug.

Ein weiterer wichtiger Vorteil von SL ist die Möglichkeit, die diese Plattform für Menschen mit Einschränkungen hat. Ich habe das einige Male beobachten können, wie Menschen die gehbehindert oder schwer krank sind, sich in SL richtig schön mit anderen austauschen konnten und sich ausleben. Das sich frei im Raum bewegen (wenn auch bloss über einen Avatar) kann so einem Menschen sehr viel geben und bietet daher einfach mehr, als die rein textliche Kommunikation über die üblichen Sozialen Medien. Ich denke dabei zB an jene junge Frau, die mir zu Beginn soviel geholfen hat. Wie ich erst später vernahm, lag sie mit Krebs im Spital und lebte voller Freude ihr restliches Leben ganz in SL. Später ist sie dann gestorben. RIP Yalia :-(

Die Bedeutung, die SL bei solchen Schicksalen hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

BB: Was waren deine Lieblingsprojekte in SL?

Bernhard: Kann ich so nicht sagen. Es gibt immer wieder Neues, was mich fasziniert.
Natürlich hatten wir früher einige Höhepunkte. Als ich zusammen mit Kollegen für eine RL-Versicherung eine Küchenbrand-Simulation mit Interaktionsmöglichkeit gebaut habe. Oder unsere Versuche einen 3D-Webshop zu bauen. Das waren Zeiten, als SL noch einige Echos in der RL hatte und auch Firmen dafür ansprechbar waren.
Damals hatten wir mehrere Sims und es wurde auch ein Fussball-Stadion mit mehreren Buildern und Scriptern gebaut. Ich bekam Aufträge für eine Strassenbahn, für eine Seilbahn, für ein Einkaufszentrum, einen Zoo, etc. Ach ja, und eine Zeitlang haben wir eine Zeitschrift herausgegeben, die slXpress. Es war damals halt irgendwie noch viel intensiver und bewegter. Es gab auch RL-Treffen einiger Leute. Damals hatte ich auch noch die Vision, dass etwas SL-Artiges einmal das bekannte Internet ersetzen würde.
Heute ist SL etwas ruhiger geworden, was kein Nachteil sein muss. Und vor allem ist es stabiler geworden. Zu Beginn waren mehrere Abstürze pro Tag die Regel.

BB: Sind politische Aktionen in Second Life sinnvoll?

Bernhard: Ich bin nicht sehr politisch. Aber SL bietet gutes Vernetzungspotential – zumindest bei den Leuten, die sich dort „rumtreiben“. Jedoch kann ich nicht beurteilen, wie erfolgreich politische Aktionen in SL sind/wären.
Ich bereue es halt, dass SL noch immer ein bisschen eine Art „Barbie-Geschmack“ hat. Wenn auch die Avatare heute schon sehr viel besser geworden sind. Doch in vielerlei Hinsicht wirkt es oft sehr verspielt und kann die notwendige Qualität und „Ernsthaftigkeit“ nicht rüberbringen, die manchmal für gewisse Situationen vonnöten wären. Das haben wir damals beim Gestalten von Dienstleistungen für RL-Firmen (siehe oben) auch festgestellt.
SL würde noch mehr Potential bieten, vor allem im Bereich e-learning, wenn die Plattform dafür eingerichtet worden wäre. Da ging sehr viel aus dem Bildungsbereich verloren.

BB: Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit mit den Brennenden Buchstaben ab?

Bernhard: Nun, ich erhalte – im Idealfall – das Script einer Lesung. Allenfalls mit ergänzenden Wünschen der Autorin/des Autoren, was sie/er gerne in der Kulisse hätte, oder was besonders wichtig ist.
Dann gehts los. Dafür brauch ich viel Platz und viele Prims. Da ich selber fast eine viertel Sim in Miete habe und die Brennenden Buchstaben und unsere gute Sim-Ownerin auch Prims freigeben wenn viele Lesungen sind, dann kann ich loslegen.
Meist forsche ich erstmal nach Hintergrundwissen (falls es was historisches oder zeitgenössisches ist). Dann erfolgt die Arbeit in SL und in Blender während einiger Tage, bis die Location fertig ist.

Wieso opferst du immer wieder deine Zeit für uns?

Bernhard: Weil ich ein Besessener bin ;-) Ich liebe es einfach, was aufzubauen und wenn meine RL-Arbeit mir Zeit lässt, dann geniesse ich das Schöpferische wie oben beschrieben. Zudem ist es mir eine Ehre, für die Lesung eines literarischen Werkes etwas beizusteuern. Ich schätze das, was die Brennenden Buchstaben für die literarische Kultur machen als besonders hoch ein. Und da bin ich gerne mit dabei und steuere meinen Teil dazu bei.
Was ich in letzter Zeit allerdings etwas schade finde ist, dass weniger Leute in SL an den Lesungen teilnehmen als früher, da viele nur über Discord mithören. Da sehe ich schon die Möglichkeit, dass meine Intension für grosse, detaillierte Szenen schwinden könnte, wenn die Teilnehmerzahl dann unter 20 fallen sollte. Aber schauen wir mal – und hoffen.

Welche Art von Literatur liest du am liebsten?

Bernhard: Ich lese zur Zeit sehr wenig. Aber am liebsten hab ich die Genres Scifi und Fantasy. Zuweilen hab ich auch mal Krimis gelesen. Jedoch eigentlich nur jene von Tony Hillerman, da diese die indianischen Kulturen und die Gegend sehr schön beschreiben.
Was ich gar nicht lese und auch sonst (Fernseher) ausblende sind Horror und Zombie-Geschichten. Auch Rituelles-Folterzeug hab ich auf dem Kieker. Dabei ist das Problem, dass alles, was geschrieben wird, auch Wirkung auf die Welt hat. Doch das würde hier zu weit führen …

Ach ja...Sachbücher waren eine Weile meine Begleiter. Seit ich mein Fachwissen jedoch besser online von sehr guten Tutorials erhalte, wird das Fachbuch-Regal immer leerer.

Gibt es ein Wunschprojekt, das du gern unbedingt in SL umsetzen möchtest?

Bernhard: Nein. Ich lasse mich gerne immer wieder neu auf neue Literatur-Events ein. Bei manchen kribbelts mich mehr aber immer ist es interessant.
Natürlich sind meine liebsten Themen Scifi und Fantasy. Schwieriger ist es, zeitgenössische Themen zu illustrieren. Das ist natürlich, da wir diese Umgebungen ja kennen. Bei Fantasy- oder Scifi-Szenen begeben wir uns in eine Welt, die wir nicht kennen, die wir erforschen können, die etwas mit uns macht.

Jedenfalls freue ich mich immer wieder auf neue Herausforderungen für Lesungs-Szenen.

22.Sept19 // Bernhard Bettschen aka Barlok Barbosa
www.barlok.ch

Dritter Virtueller Literaturcon:

Samstag, 12.10.2019

18.30-19.00 Eröffnung und Lesung von BukTom Bloch
19.00-19.30 Achim Stößer liest „Quecksilberding“ aus "Rebellion in Sirius City" Retro-SF
19.30-20.00 Jens Gehres liest „Hroswitha Knibbel und die gestohlenen Schokoladenkekse“ aus "Keks-Geschichten" Fantastik Mitleser: Kueperpunk
20.00-20.30 Axel Kruse liest aus "Derolia" Space Opera
20.30-21.00 Galax Giordano liest „Punkolution“ aus "Xeno-punk" Cyberpunk
21.00-21.30 Rael Wissdorf liest aus „Das Vermächtnis des Drachenfürsten“ Fantasy Mitleser: Kueperpunk
21.30-22.00 Judith Vogt liest aus "Wasteland" Science Fiction/Postapokalypse Mitleser: Christian Vogt
22.00.22.30 Tobias Bachmann liest aus "Gynoid" Science Fiction Mitleser: Judith Vogt
22.30-23.00 Konzert mit Psi Quence

Sonntag, 13.10.2019

18.30-19.00 Mike Krzywik-Groß liest aus "Alter Ego" Shadowrun
19.00-19.30 Gabriele Behrend liest „Partition“ aus "Gegen Unendlich 15" Science Fiction
19.30-20.00 Stella Delaney liest aus "Das Leuchten am Rande des Abgrunds" Fantastik
20.00-20.30 Markus Gersting liest aus "Hydorgol 4" Space Opera
20.30-21.00 Uwe Hermann liest aus "Userland - Berlin 2069" Science Fiction Mitleser: Kueperpunk
21.00-21.30 Alvar Borgan liest „Das glühende Auge aus "Virtuelle Welten" (wo würde diese Lesung besser passen?) Cyberpunk
21.30-22.00 Frederic Brake liest „Das Komprimat“ aus "Schattenzeit" Fantasy Mitleser: Kueperpunk
22.00-22.30 Peter Hohmann liest aus "Dunkle Echos" Fantasy Mitleser:Kueperpunk
22.30-23.00 Konzert mit Torben Asp

Ton über den Discord Kanal der Brennenden Buchstaben: https://discord.gg/P3x79Xw

Und wie immer wird es Live Übertragungen bei Radio-Rote.Dora geben!

http://www.radio-rote-dora.org/

SLURL: https://maps.secondlife.com/secondlife/P.../51/108/22
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RE: Dritter Virtueller Literaturcon - Die Interviewreihe - von Sylvia Koeln - 22.09.2019, 17:35
RE: Dritter Virtueller Literaturcon - Die Interviewreihe - von kueperpunk - 09.10.2019, 18:16

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